Quelle: pnn

"Ein Scheitern wäre fatal"

Prof. Görtemaker über die Zukunft des Militärinstituts an der Uni (16.11.02)

Das „Potsdam Center for Transatlantic Security and Military Affairs“ (TSMA), das an die Universität Potsdam angegliedert werden sollte, steht vor dem Aus. Nachdem das Verteidigungsministerium die Finanzierungszusage zurückgezogen hat, sucht die Leiterin Margarita Mathiopoulos nach einer Lösung für das Zentrum. Über das Projekt sprachen die PNN mit dem Gründungsdirektor Prof. Manfred Görtemaker von der Uni Potsdam. Görtemaker befindet sich derzeit zu einem Forschungssemester in Oxford.

Herr Görtemaker, sind Sie tatsächlich schon im Juli als Gründungsdirektor des TSMA zurückgetreten?

Das stimmt. Es gab dafür mehrere Gründe. Dazu zählt nicht zuletzt meine seit langem geplante gegenwärtige Tätigkeit in Oxford. Ein „Gründungsdirektor“ hat, wie der Name sagt, die Aufgabe, einer Einrichtung zur Gründung zu verhelfen und sie danach in andere Hände zu übergeben. Ich habe, insbesondere innerhalb der Universität, alles getan, um den Start des Zentrums zu ermöglichen, der bei meinem Ausscheiden im übrigen noch ganz unproblematische schien.

Stimmt es, dass Sie über den FDP-Beitritt der Direktorin Margarita Mathiopoulos und ihre Nähe zur Rüstungsindustrie verärgert waren?

Der FDP-Beitritt von Frau Mathiopoulos hat mich nicht gestört – schließlich hat die FDP in der Geschichte der Bundesrepublik immer eine positive und konstruktive Rolle gespielt. Im übrigen sollte die Grundfinanzierung des Zentrums ja durch das Verteidigungsministerium erfolgen, das von einem SPD-Minister geführt wird, so dass für eine gewisse parteipolitische Ausgewogenheit gesorgt war. Allerdings war ich immer der Auffassung, dass das Zentrum sich nicht in einseitige politische oder sonstige Abhängigkeiten begeben darf. Das würde ich auch heute noch so sehen. Das Zentrum – so habe ich, intern wie öffentlich immer erklärt – muss politisch unabhängig und ergebnisoffen sein. Sonst wäre im übrigen eine Kooperation mit der Universität undenkbar.

Wie stehen Sie zur Rücknahme der Finanzierungszusage?

Ich bedauere es, dass das TSMA im Wahlkampf – offenbar nicht zuletzt wegen der Irak-Frage und der damit verbundenen Debatte um die grundsätzliche Ausrichtung der deutschen Außenpolitik – leider doch in den Strudel der Politik geraten ist. Ich vermag nicht zu sagen, ob die Entscheidung von Minister Struck, die von seinem Vorgänger Scharping fest zugesagte Grundfinanzierung zu widerrufen, dadurch in irgendeiner Weise beeinflusst worden ist. Die Vermutung, dass dies eine Rolle gespielt haben könnte, liegt jedoch nahe. Auf jeden Fall hätten wir heute wohl eine andere Situation, wenn die Wahl im September anders ausgegangen wäre.

Welche Auswirkungen hätte ein Scheitern des Projektes für Potsdam?

Wenn die Gründung des Zentrums aufgrund der Entscheidung von Herrn Struck jetzt doch noch scheitern sollte, wäre dies meines Erachtens fatal. Wir brauchen ein solches Zentrum in Deutschland heute dringender denn ja. Eine Ansiedlung in Potsdam wäre angesichts der hier bereits vorhandene Infrastruktur ideal – auch wenn man über Details der Binnenstruktur und Ausstattung noch streiten mag.

Welche Folgen sind international zu erwarten?

Gerade aus der distanzierten Perspektive von Oxford würde ich die Argumente, die ich in der ersten Jahreshälfte für die Gründung des TSMA immer wieder ins Feld geführt habe, noch verstärken: Wir müssen die gewachsene außenpolitische Verantwortung, die inzwischen auch militärische Elemente aufweist (ob wir das wollen oder nicht), durch fundierte, wissenschaftlich solide Analysen untermauern. Wir müssen zu den Konflikten der Welt eine eigene Haltung gewinnen. Wir müssen eine umfassende Debatte beginnen, um zu einem begründeten Urteil und Verständnis zu gelangen. und diese Debatte darf sich nicht auf kleine Eliten beschränken, sondern muss öffentlich geführt werden.

Das findet derzeit nicht statt?

Im Moment bewegen wir uns in die gegenteilige Richtung: Die deutsche Außenpolitik befindet sich auf dem Weg in die Provinzialisierung, die letztlich wieder – wie vor dem Ersten Weltkrieg – in gefährlicher Isolation enden könnte. Ich fürchte, die meisten Deutschen merken noch nicht einmal, wie sehr wir dabei sind, das außenpolitische Kapital, das in den Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg in mühseliger Kleinarbeit angesammelt wurde, zu verspielen. Ich behaupte nicht, dass das TSMA die einzige Lösung für das Problem wäre. Aber es könnte einen Beitrag zu einer umfassenden Diskussion über die Grundlagen der deutschen Außen- und Sicherheits leisten. Diese Diskussion ist unerlässlich, um die deutsche Politik wieder in die internationale Gemeinschaft zurückzuführen, die wir in den letzten Monaten ohne Not verlassen haben. Fragen Sie die deutschen Botschafter in Washington oder London, was ich damit meine.

Innenminister Schönbohm will das Zentrum über eine Bundesratsinitiative retten. Auch einige FDP-Außenpolitiker des Bundestags wollen sich für das Haus stark machen.

Ich begrüße jede Initiative, die dazu verhelfen könnte, die Idee des Zentrums zu retten. Allerdings kann man nicht genug davor warnen, das TSMA als ein „Instrument der Opposition“ gegen die Regierung zu etablieren. Der Charme der ursprünglichen Idee bestand ja gerade darin, dass sie von allen Parteien (vielleicht mit Ausnahme der PDS) getragen wurde. Wer an dieser Idee festhalten möchte, sollte auch weiterhin eine Lösung auf der Grundlage parteipolitischer Unabhängigkeit suchen.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller